Es wäre ein Trugschluss zu glauben, im Leben liefe immer alles „glatt“. Plötzlich geht alles anders, es zeigen sich Unebenheiten, mal gibt es Höhen und Tiefen – und nicht selten auch mal Risse. Menschen neigen dazu, alles, was ihren Idealvorstellungen nicht entspricht, zu ignorieren oder schnell beiseite zu schaffen. Schaffen sie es nicht, werden sie unzufrieden und wirken selbst „zerknittert“.
Wer hat nicht schon einmal versucht, mit Federhalter und Tinte einen netten Brief zu schreiben? Nur ein kleiner Formulierungsfehler oder ein versehentlicher Klecks auf das Papier gebracht, schon wird das Werk zerknäult und in die Tonne geworfen. Unsere Werke und damit auch wir selbst sollen makellos erscheinen.
Immer nur gestriegelt?
In einem glatt verlaufenden Leben hat alles, was nur einen kleinen Fehler zeigt, eben keinen Platz. Manchmal gelingt es einfach nicht, das Perfekte zu entwickeln. Und selten schaffen wir es, alles Unvollkommene schnell zu korrigieren und Makel damit wieder „auszubügeln“. Viele Personen gelingt es noch nicht einmal, vor andere zu treten, ohne „gebügelt und gestriegelt“ zu erscheinen. Sie wollen sich nur nach einer ausreichenden Körperpflege und mit ordentlicher gepflegter Kleidung präsentieren.
Es gehört Mut dazu, auch zu eigenem Makel und Fehlern zu stehen. Ein handgeschriebener Brief, auch mit Klecksen, zeigt mehr Wertschätzung dem Adressaten gegenüber, als ein im Computer heruntergeschriebenes Dokument. Das persönliche Werk, gerade auch die eigene Person darf Makel zeigen. Zum Leben gehört auch das, was nicht perfekt ist und glatt verläuft. „Aalglatte“ Menschen werden von anderen sogar gescheut. Wer es schafft, sich so zu zeigen, wie er wirklich ist und sich nicht verstellen muss, wirkt authentischer und damit auch sympathischer. Menschen, die versuchen, selbst zu sich stehen, können von anderen letztlich nur dann nur „zusammengefaltet“ werden, wenn Etikette und andere bestehende Regeln mit ihrer Präsentation verletzt werden. Es gibt vieles, was nicht gesetzten Normen entspricht: Schwächen, Handicaps, Fehlproduktionen, Abgelaufenes, Unvollendetes oder mit Macken versehenes. Das alles gehört zum wahren Leben mit dazu. Es muss und darf nicht wie Papier einfach zerrissen, zusammengefaltet und in die Tonne getreten werden. Alles hat seinen Wert und braucht Wertschätzung, Aufmerksamkeit und gegebenenfalls auch besonderen Schutz. Wer das ignoriert und nicht akzeptieren kann, wird unzufrieden und wirkt dann irgendwann ganz schnell selbst zerknittert. In einem solchen Fall wäre Wesentliches nicht glatt gelaufen, sondern mit der Unzufriedenheit das passiert, was nie eintreten sollte.
August 29, 2020 at 05:00AM
https://ift.tt/2Z1NXb1
Von Mängeln nicht „zerknittern“ lassen - Mannheimer Morgen
https://ift.tt/2YNBJmm
glatt
No comments:
Post a Comment